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 Türkischer Alltag

 

EIN BLICK IN DEN TÜRKISCHEN ALLTAG

50 Millionen Türken lassen sich ebenso wenig wie jedes andere Volk dieser Größe auf einen Nenner bringen: Die Unterschiede zwischen Land und Stadt, Westen und Osten, Küstenland und Inneranatolien prägen die Lebensweisen der Bevölkerung ebenso wie Armut und Reichtum und sozialer Status. Dennoch kann man mit aller Behutsamkeit einige allgemeine Regeln feststellen, an die sich die meisten halten. Der Türke ist in seinem Privatleben von einem starken Sinn für die Familie geprägt, für die Großfamilie, die ihren Mitgliedern Schutz und Hilfe gewährt. Daher pflegen auch die Kinder bis ins Erwachsenenalter enge Bindungen zum Elternhaus.

In der Öffentlichkeit dominiert die Männergesellschaft, zu Hause hat die Mutter das Sagen. Schwiegertöchter aus dem Ausland - ohnehin nicht mit Begeisterung aufgenommen- spielen im Familienverband nur eine geringe Rolle. Das eigene Haus, und wenn es auch noch so klein ist, oder die Eigentumswohnung in der Stadt ist für den Türken ein wesentlicher Bestandteil des Lebensglücks, wofür es sich lohnt, Jahrzehnte zu arbeiten. Zu diesem familiären Bereich haben auch gute Freunde nur selten Zutritt. Der Türke lädt seine Freunde viel lieber ins Restaurant ein, besonders, wenn die eigene Bleibe zu klein ist, um dort größere Feste auszurichten. Verlobung und Hochzeit, Beschneidung des Stammhalters und runde Geburtstage werden mit großem Aufwand auswärts gefeiert.

In den Kaffeehäusern kleinerer Städte und in den Dörfern sieht man auch heute nur Männer, während die nach westlichem Vorbild eingerichteten Pastane (Konditoreien) in den Großstädten auch allein stehende Frauen und gerade diese anzieht. Im Basar (Carşı) sind die Männer und Frauen heute als Kunden gleichberechtigt, ebenso als Verkäufer und Verkäuferinnen, während in vielen Dienstleistungsbetrieben, und auch in der Gastronomie vorwiegend die Herren der Schöpfung am Werke sind.

Die Hinwendung zum Westen hat in den letzten 50 Jahren einiges verändert, wenn man an die Rolle der Frau im öffentlichen Leben denkt: Lehrerinnen, Richterinnen, Polizistinnen, Sekretärinnen, Politikerinnen sind heute aus dem beruflichen Alltag nicht mehr wegzudenken. In den großen Städten ist jeder fünfte Anwalt weiblichen Geschlechts, jeder sechste Arzt eine Ärztin.

Selbstbewusst und fachlich kompetent stehen diese Frauen ihren Mann, während ihre Schwestern auf dem Land noch harte Feldarbeit verrichten, beaufsichtigt von einigen Männern - wenn diese nicht gerade im Cayhane (Teehaus) ihrem Brettspiel frönen. In fast allen ländlichen Gebieten geht die Frau, oft schwere Lasten schleppend, hinter dem hoch zu Esel reitenden Manne her. Arrangierte Hochzeiten und die alte Sitte der Brautgabe sind auf dem Lande, vor allem im Osten und Südosten häufig anzutreffen.

Die Frauen mit Kopftuch und Pluderhose, die Männer mit einer Art Schiebermütze, dunklem Jackett und einem Kettchen an oder in der Hand. So kennt und erkennt man hierzulande Angehörige der türkischen Volksgruppe. Auf einer Reise durch die Türkei wird man dann aber feststellen, dass besonders im Westen und in den größeren Städten enge Röcke und Hosen, nicht vom Kopftuch bedecktes Mädchenhaar, äußerst elegant gekleidete Herren ebenso zum Straßenbild gehören, wie tief in den schwarzen Ganzschleier gehüllte Frauen. Atatürk, der die Türkei zu einem modernen Land machen wollte, verlangte von seinen Bürgern westliche Kleidung. In einem setzte er sich durch: der Fes, seit dem 19. Jahrhundert nationale Kopfbedeckung, und der noch traditionellere Turban werden heute nicht mehr getragen. Dagegen wurde trotz aller Mühen der Kampf gegen Schleier und Kopftuch, gleichermaßen Symbole der angeblichen Unterdrückung der Frau, nicht gewonnen.

Eine ungeheure Vielfalt ergibt das Gesamtbild: Selbstmörderische Manöver im Straßenverkehr und unvorstellbare Höflichkeit im täglichen Umgang; Hilfsbereitschaft, die immer wieder in Staunen versetzt und übertrieben scheinende Gastfreundschaft, daneben Misstrauen und Zurückhaltung gegenüber dem Fremdartigen, gegenüber dem Fremden, störrische Ruhe und Gelassenheit bei Gefahr und Katastrophe: Immer wieder bauen die von Erdbeben heimgesuchten Menschen ihre Häuser und Hütten auf, wohl wissend, dass Kismet (Schicksal) Ihnen erneut Unglück bringen kann.

Die Säkularisierungsprogramme der Republik sind bei weitem nicht bis in alle Gebiete des Landes vorgedrungen; das Volk ist in seiner Mehrheit gläubig geblieben, wenngleich die mit strenger Gläubigkeit verbundene Intoleranz weitgehend weichen musste. So kann auch der Tourist während der Gebete die Moschee betreten (was SIE bitte aber nicht tun), wobei man aber nicht zwischen den Betenden und dem Mihrap (Gebetsnische) treten darf, ein solches Verhalten würde das Gebet wirkungslos machen.