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DIE KAFFEEKULTUR EUROPAS


1683. Die Janitscharentrommeln dröhnten wieder. Zum zweiten Mal schoss das osmanische Heer schwere Kanonenkugeln die Tore Wiens. Der Großwesir Kara Mustafa Pascha saß in seinem prächtigen Zelt und überlegte, wie lange wohl die Stadt der Belagerung noch standhalten würde. Graf Starhemberg, der Kommandant von Wien, plante bereits, die Stadt zu raumen. Als er den Kopf von seinem Arbeitstisch hob, stand ein junger Mann vor ihm: (Mein Name ist Kolschitzky), sagte dieser. (ich habe Euro Wachter überlistet und bin so in Euer Lager eingedrungen. Mit dem gleichen Geschick Könnte ich mich ins türkische Leger einschleichen und für Euch arbeiten wenn Ihr mir eine Janitscharenuniform beschafften wolltet. )Starhemberg meinte zuerst, der Mann sei nicht bei Verstand, doch dann murmelte er: (Es ist unsere letzte Hoffnung. Beeil dich, Junger Mann!)

In der Nacht schlich sich Koschitzky, in Janitscharenuniform, ins türkische Lager. er mischte sich unerkannt unter eine gruppe Janitscharen, die um ein Feuer saßen, und ließ sich auf einem Sack nieder. Aus einer Kanne über dem Feuer bot man auch ihm ein warmes, stark duftendes Getränk an. Die Janitscharen unterhielten sich nicht darüber, wie sie die Stadt erobern wollten, sondern darüber, wann sie endlich nach Istanbul zurückkehrten. Kolschitzky hörte ihnen eine Weile zu, dann verschwand er im Dunkel der Nach dorthin, woher er gekommen war.

Als Starhemberg plötzlich einen Janitscharen vor sich stehen sah, glaubte er, nun sei alles aus. Aber dann nachdem der Mann seinen Turban ab, und Starhemberg erkannte Kolschitzky und atmete auf. ein vorsichtiger Angriff, den er am nächsten Tag unternehmen ließ, bestätigte Kolschitzkys Beobachtung: Die Janitscharen waren kampfesmüde und sehnten sich nach Hause zurück. Deshalb leisteten sie keinen starken Widerstand. Drei Tage später marschierten die österreichischen Truppen und ihre Verbündeten, darunter die Polen, in die Schlacht und schlugen das osmanische Heer in die Flucht.

Der Held des Tages war der aus Polen stammende Händler Georg Franz Kolschitzky, der Türkisch konnte. was er sich zum Dank für seine Dienste von Starhemberg wünschte, war sehr bescheiden: die Kaffeevorräte, die das osmanische Heer bei seinem Rückzug dagelassen hatte; dazu ein Gebäude mitten in Wien und die Konzession, dort eine Wirtsstube zu betreiben. Das Lokal, das Kolschitzky im Jahr 1683 eröffnete, trug den Namen ( Zur blauen Flasche ) und war das erste Kaffeehaus Österreichs.

Von der Schlacht vor Wien kehrten auch die Nürnberger zurück – auch sie nicht mit leeren Händen. Sie brachten Hunderte Kriegsgefangener Janitscharen und bepackte Kamele mit. Auf dem Hauptplatz der Stadt stellte der Kommandant stolz die Beute zur Schau. Wie staunte er, als er mit dem Dolch in einen Sack stach, und statt Gewürzen oder Seide nur brauner Staub zum Vorschein kam. Es war Kaffee. Man rief den Kaffeesieder der Janitscharen, Güzel Mehmet, und befahl ihm, das Getränk zuzubereiten. Der Kommandant, von Duft und Geschmack des Kaffees begeistert, ließ Güzel Mehmet frei und gab ihm einen Raum für ein Kaffeehaus; es war, unter dem Namen ( Schöner Mehmet) das erste Kaffeehaus nördlich der Donau.
Die meisten Gefangenen Janitscharen mussten beim Bau von Schlössern und Kanalsystemen oder in Webereimanufakturen arbeiten. Im Laufe der Zeit nahmen sie den christlichen Glauben an und ließen sich taufen. Tausende von Deutschen mit dem Familiennamen Turk oder Türk stammen von diesen kriegsgefangenen Janitscharen ab.
Nach der Belagerung Wiens verbreitete sich der Kaffee unter den Namen (Türkentrank) in kurzer Zeit in ganz Europa. Das erste Kaffeehaus in Paris eröffnete ein osmanischer Armenier mit Namen Pascal, das erste Kaffeehaus in England ein osmanischer Jude namens Jacob. auch die türkischen Gesandtschaften in Europa bewirteten ihre Besucher mit Kaffee. Sie lockten neugierige Aristokraten an, die dieses Getränk kennenlernen wollten. Da der Kaffee in fein gearbeiteten Porzellantässchen auf Tüchern mit goldenen fransen serviert wurde, waren besonders die Frauen entzückt. Bei denen, die es sich leisten konnten, trat an die Stelle von warmem Bier, das zum Frühstück getrunken wurde, der Kaffee.
Die Kaffeehauskultur veränderte das Gesicht Europas. Cafés wurden zum Treffpunkt und zur Stätte der Inspiration von Schriftstellern, Künstlern und Journalisten; für viele Literaten wurde es zur zweiten Heimat. Gleichzeitig entwickelte sich das Kaffeehaus zu einem Zentrum politischer Diskussion. Nach der Rede des Camille Desmoulins im Café de Foy in Paris stürmte das Volk die Bastille. Das monumentale Café Pedrocchi in Padua war Mitte des 19. Jahrhunderts der Versammlungsort der Patrioten Venetiens und damit einer der Plätze, von dem die Erhebung gegen Österreich ausging. Leo Trotzki war 1907-1914 Stammgast im Wiener Cafe Central. Lenins Plan, in einem versiegelten. Eisenbahnwaggon nach Russland zu reisen, entstand im Cafe Odeon in Zürich.


In der Türkei war das Kaffeehaus schon immer ein Ort des Vergnügens und der Bildung gewesen. Um die Gäste wurden im Kaffeehaus Geschichten erzählt. Allabendlich trat ein Meddah auf und präsentierte seine Geschichten wie ein Schauspieler auf der Bühne. An der spannendsten Stelle brach er ab und verschob die Fortsetzung auf den nächsten Abend. Aber durch Radio und Fernsehen wurde diese Kunst des Geschichtenerzählers verdrängt.
Bis zum Ersten Weltkrieg war der Kaffee das Hauptgetränk der Türken. Doch nach dem Ende des Osmanischen Reichs und mit der Abspaltung des Jemen, des Hauptlieferanten für Kaffee, trat an dessen Stelle der Tee, und aus Kaffeehäusern wurden Teehäuser.