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Atatürk
Das Leben Atatürks (1881 - 1938)
Atatürk - Gründer der Republik Türkei und erster Staatspräsident
Mustafa Kemal Atatürk ist in 1881 in Saloniki geboren. Sein
Geburtshaus war ein dreistöckiges, rosafarbenes Haus in der
Islâhhâne Strasse, Stadtteil Kocakasım. Sein Vater hieß Ali Rıza
Efendi, seine Mutter Zübeyde Hanım. Sein Großvater väterlicherseits,
Hafız Ahmet Efendi, zählte zu den Kocacık Yörüks (turkmenische
Nomaden in Anatolien), die sich im XIV. - XV. Jahrhundert von Konya
und Aydın kommend in Mazedonien niederließen. Seine Mutter Zübeyde
Hanım hingegen war Tochter einer alteingesessenen türkischen Familie
des Städtchens Langaza, in der Umgebung Salonikis. Ali Rıza Efendi,
Offizier der Miliz, Sekretär frommer Stiftungen und Bauholzhändler,
ehelichte im Jahre 1871 Zübeyde Hanım. Von den fünf Geschwistern
Atatürks starben vier bereits in ihrer Kindheit, nur Makbule
(Atadan) lebte bis zum Jahre 1956.
Als der kleine Mustafa in das
Schulalter kam, begann er seine Schulausbildung in der Hafız Mehmet
Efendi Mektep (Schule), der Schule seines Wohnbezirkes. Später
wechselte er auf Wunsch seines Vaters auf die Şemsi Efendi Mektep.
In dieser Zeit verlor er seinen Vater (1888). Eine Weile blieb er
bei seinem Onkel auf dem Rapla Bauernhof, kehrte dann nach Saloniki
zurück und beendete seine Schule. Er wurde in die Mülkiye Rüştiyesi
(Verwaltungsschule) in Saloniki eingetragen. Kurze Zeit später, im
Jahre 1893, trat er in die Askeri Rüştiye (Militärschule) ein. In
dieser Schule wurde durch seinen Mathematiklehrer Mustafa Bey seinem
Namen „Kemal“ angehängt. In den Jahren 1896 - 1899 beendete er die
Manastır Askeri İdadî (Militärschule, folgend auf die Rüştiye) und
begann in Istanbul sein Studium auf der Harp Okulu (Kriegsschule).
Im Jahre 1902 absolvierte er diese Schule als Leutnant und setzte
seine schulische Laufbahn auf der Kriegsakademie fort. Am 11. Januar
1905 beendete er diese Ausbildung mit dem Titel eines Hauptmannes.
In den Jahren 1905 - 1907 stand er in Damaskus im Dienst der V.
Armee, wurde 1907 zum Kolağası (Offiziersrang zwischen Hauptmann und
Major) erhoben und nach Monastir (Bitolj) in die III. Armee versetzt.
Am 19. April 1909 nahm er in der in Istanbul eindringenden
Bewegungsarmee die Stellung als Generalstabchef ein. Im Jahre 1910
wurde er nach Frankreich geschickt, wo er an den Picardie- Manövern
teilnahm. Im Jahre 1911 begann er seine Tätigkeit unter der
Befehlsführung des Chefs des Grossen Generalstabes.
Im Jahre 1911, durch den Angriff Italiens auf Tripolis begonnen
Krieg, nahm Mustafa Kemal gemeinsam mit einer Gruppe von Freunden im
Gebiet von Tobruk und Derne teil. Der Krieg in Tobruk gegen Italien
wurde am 22. Dezember 1911 gewonnen. Dies brachte ihm am 6. März
1912 den Titel des Kommandeurs von Derne.
Als im Oktober 1912 der Balkankrieg ausbrach, beteiligte sich
Mustafa Kemal mit den Truppen in Gallipoli und Bolayır am Krieg. Bei
der Rückeroberung von Dimetoka und Edirne hat er große Dienste
geleistet. Im Jahre 1913 wurde er zum Militärattache von Sofia
ernannt. Noch während dieses Dienstes wurde er im Jahre 1914 zum
Oberstleutnant ernannt. Seinen Dienst als Militärattache beendete er
im Januar 1915. In der Zwischenzeit brach der I. Weltkrieg aus und
das osmanische Reich musste sich an diesem Krieg beteiligen. Mustafa
Kemal wurde mit der Gründung der 19. Division in Tekirdağ beauftragt.
Im im Jahre 1914 ausbrechenden Weltkrieg verzeichnete Mustafa Kemal
in Çanakkale wahre Heldentaten und die „Entente Staaten“ mussten
erfahren, dass „Çanakkale unpassierbar“ ist. Die englischen und
französischen Flotten mussten am 18. März 1915 bei der Passierung
der Dardanellen schwere Verluste hinnehmen, worauf entschlossen
wurde, auf der Halbinsel Gallipoli Truppenlandungen vorzunehmen. Die
am 25. April 1915 Arıburnu (Schlachtort auf Gallipoli) erreichenden
feindlichen Streitkräfte wurden durch die 19. Division unter dem
Kommando Mustafa Kemals bei Conkbayırı aufgehalten. Aufgrund dieses
Erfolges Mustafa Kemals wurde dieser zum Oberst ernannt. Die
Engländer setzten am 6.-7. August 1915 abermals bei Arıburnu zum
Angriff an. Der Kommandant der Anafartalar Gruppe (Anafartalar =
Orte auf der Halbinsel Gallipoli) Mustafa Kemal erzielte am 9.-10.
August den Sieg bei Anafartalar. Diesem Sieg folgte am 17. August
der Sieg bei Kireçtepe und am 21. August der zweite Sieg bei
Anafartalar. Zwar hat die türkische Nation bei den Çanakkale Kriegen
253.000 Soldaten verloren, konnte jedoch gegenüber den Entente
Staaten seine Ehre bewahren. Der Befehl Mustafa Kemals an seine
Soldaten „Ich befehle Euch nicht den Angriff, ich befehle Euch zu
sterben!“ hat das Schicksal der Front verändert.
Mustafa Kemal hat nach den Kriegen bei Çanakkale 1916 in Edirne und
Diyarbakır seinen Dienst geleistet. Am 1. April 1916 stieg er zum
Generalmajor auf. Durch seine Auseinandersetzungen mit den
russischen Truppen konnte er die Rückeroberung von Muş und Bitlis
erreichen. Nach seinen kurzen Einsätzen in Damaskus und Aleppo
kehrte er im Jahre 1917 wieder nach Istanbul zurück. Gemeinsam mit
Kronprinz Vahidettin Efendi reiste er nach Deutschland, wo er eine
genaue Analyse der Front vornahm. Nach dieser Reise erkrankte er und
wurde in Wien als auch in Karlsbad behandelt. Am 15. August 1918
kehrte er als Kommandant der VII. Armee nach Aleppo zurück. An
dieser Front führte er erfolgreiche Abwehrkämpfe gegen die
englischen Streitkräfte. Am 31. Oktober 1918, einen Tag nach der
Unterzeichnung des Waffenstillstandes von Mudros, wurde er zum
Kommandanten der Blitzarmee-Gruppen ernannt. Als diese Armee
aufgelöst wurde, kehrte er am 13. November 1918 nach Istanbul zurück
und wurde im Harbiye Nezâreti (Kriegsministerium) beauftragt.
Als die Entente Staaten nach dem Waffenstillstand von Mudros
begannen, die osmanischen Armeen zu vereinnahmen, ging Mustafa Kemal
am 19. Mai 1919 als Inspektor der IX. Armee nach Samsun. Mit dem in
Amasya veröffentlichten Rundschreiben „Die Unabhängigkeit des Volkes
wird durch die Entschlossenheit und Entscheidung des Volkes wieder
gewonnen“ hat er am 22. Juni 1919 den Sivas- Kongress einberufen. In
den am 23. Juli - 7. August 1919 in Erzurum und am 4. - 11.
September 1919 in Sivas stattfindenden Kongressen wurden die
Strategien zur Befreiung des Vaterlandes festgelegt. Am 27. Dezember
1919 wurde Mustafa Kemal in Ankara mit großer Aufregung empfangen.
Am 23. April 1920 wurde durch die Eröffnung der Grossen Türkischen
Nationalversammlung ein wichtiger Schritt Richtung Gründung der
Türkischen Republik unternommen. Mustafa Kemal wurde zum
Vorsitzenden der Nationalversammlung und der Regierung gewählt. Die
Grosse Türkische Nationalversammlung akzeptierte die Gesetze, die
zur erfolgreichen Durchführung des Befreiungskrieges notwendig waren,
und begann umgehend mit deren Umsetzung.
Der Türkische Befreiungskrieg begann am 15. Mai 1919 mit dem ersten
Schuss, der in der Besetzung von Izmir durch die Griechen gegen den
Feind abgefeuert wurde. Zuerst wurde gegen die Siegerstaaten des I.
Weltkrieges, die nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages von
Serves am 10. August das Osmanische Reich unter sich verteilten, mit
Kuvâ-yi Milliye bezeichneten Milizkräften der nationalen
Streitkräfte gekämpft. Diese Streitkräfte der Kuvâ-yi Milliye
vereinten sich mit der von der Grossen Türkischen
Nationalversammlung gegründeten geordneten Armee und beendeten den
Krieg siegreich.
Die wichtigsten Stufen des Türkischen Befreiungskrieges unter der
Führung Mustafa Kemals:
• Befreiung von Sarıkamış (20. September 1920), Kars (30. Oktober
1920) und Gümrü (7. November 1920)
• Verteidigungen von Çukurova, Gaziantep, Kahramanmaraş und
Şanlıurfa (1919 - 1921)
• I. Inönü Sieg (6. - 10. Januar 1921)
• II. Inönü Sieg (23. März - 1. April 1921)
• Sieg von Sakarya (23. August - 13. September 1921)
• Grossangriff, Offene Feldschlacht des Oberbefehlshabers und Großer
Sieg (26. August - 9. September 1922)
Nach dem Sieg von Sakarya überreichte die Grosse Türkische
Nationalversammlung am 19. September 1921 Mustafa Kemal den Rang des
Generalfeldmarschalls und den Ehrentitel „Gazi“ (Ehrentitel für
besonders verdiente Feldherren). Der Befreiungskrieg wurde am 24.
Juli 1923 mit der Unterzeichnung des Vertrages von Lausanne
abgeschlossen. Somit gab es kein Hindernis mehr, auf dem Land, das
durch den Vertrag von Sevres in tausend Stücke zergliedert wurde und
den Türken nur 5-6 Provinzen hinterließ, einen neuen türkischen
Staat zu gründen, der sich auf die Nationale Einheit stützt.
Am 23. April 1920 wurde in Ankara mit der Eröffnung der Grossen
Türkischen Nationalversammlung die Gründung der Türkischen Republik
veröffentlicht. Die erfolgreiche Verwaltung des Befreiungskrieges
durch die Versammlung hat die Gründung des neuen türkischen Staates
beschleunigt. Am 1. November 1922 wurde das Amt des Kalifen und das
Sultanat voneinander getrennt, das Sultanat abgeschafft. Somit
wurden die Verbindungen mit dem Osmanischen Reich auf der
Verwaltungsebene abgebrochen. Am 13. Oktober 1923 wurde die Republik
akzeptiert, Atatürk wurde mit Einstimmigkeit zum Staatspräsidenten
gewählt. Am 30. Oktober 1923 wurde die erste Regierung der Republik
durch İsmet İnönü gebildet. Somit begann der Aufstieg der Türkischen
Republik mit ihren Grundsätzen „Die Staatsgewalt gehört ohne
Einschränkungen und bedingungslos dem Volke“ und „Frieden im
Vaterland, Frieden in der Welt“.
Atatürk hat mit dem Ziel, die Türkei auf eine „moderne
Zivilisationsebene zu heben“ eine Reihe von Neugestaltungen
durchgeführt. Diese können unter fünf Punkten zusammengefasst werden:
1. Politische Neugestaltungen:
- Aufhebung des Sultanats ( 1. November 1922)
- Verkündung der Republik (29. Oktober 1923)
- Abschaffung des Amt des Kalifen (3. März 1924)
2. Gesellschaftliche Neugestaltungen:
- Gewährleistung gleicher Rechte für Frauen und Männer (1926 - 1934)
- Hut- und Bekleidungsneuordnungen (25. November 1925)
- Schließung der Derwischklöster und -grabmäler (30. November 1925)
- Einführung des Familiennamen-Gesetzes (21. Juni 1934)
- Abschaffung von Beinamen und Titeln (26. November 1934)
- Annahme der internationalen Maßeinheiten für Uhren, Kalender,
Metermasse (1925 - 1931)
3. Juristische Neugestaltungen:
- Abschaffung der Gesetzessammlung (1924 - 1937)
- Übergang zur laizistischen Rechtsordnung durch die Herausgabe der
Türkischen Zivilgesetze und anderer Gesetze (1924 - 1937)
4. Neugestaltungen im Bildungs- und Kulturwesen:
- Vereinigung des Bildungswesens (3. März 1924)
- Annahme der neuen türkischen Buchstaben (1. November 1928)
- Gründung des Institutes für Türkische Sprache und Geschichte (1931
- 1932)
- Regelung der Universitätsausbildung (31. Mai 1933)
- Neuerungen auf dem Gebiet der Schönen Künste
5. Wirtschaftliche Neuordnungen:
- Abschaffung der Zehnten (Abgabe des 10. Teils der Felderträge)
- Sorgfältigere landwirtschaftliche Bebauung durch den Bauern
- Gründung von Muster-Bauernhöfen
- Gründung von Industrieunternehmen durch die Erlassung von
Förderungsgesetze für die Industrie
- Ausstattung des Landes mit neuen Strassen durch die Umsetzung der
I. und II. Entwicklungspläne (1933 - 1937)
Nach der Einführung des Familiennamengesetzes wurde am 24. November
1934 an Mustafa Kemal von der Grossen Türkischen Nationalversammlung
(TBMM) der Familienname „ATATÜRK“ (Vater der Türken) verliehen.
Atatürk wurde am 24. April 1920 sowie am 13. August 1923 zum
Vorsitzenden der TBMM gewählt. Diese Aufgabe umfasste sowohl den
Staats- als auch den Regierungsvorstand. Am 29. Oktober 1923 wurde
die Republik verkündet und Atatürk zum ersten Staatspräsidenten
gewählt. Nach der Gründung der Verfassung kam es alle vier Jahre zur
Wahl des Staatspräsidenten. Das TBMM hat Atatürk in den Jahren 1927,
1931 und 1935 wiederum zum Staatspräsidenten gewählt.
Atatürk unternahm häufig Inlandsreisen, um die Staatstätigkeiten an
Ort und Stelle zu überprüfen. An die zuständigen Behörden wurden
Befehle erteilt, wenn die geplanten Arbeiten nicht ordnungsgemäß
durchgeführt wurden. Als Staatspräsident der Türkei hat er
ausländische Staatsmänner, Staatspräsidenten, Staatskanzler,
Staatsminister und Kommandanten empfangen.
Am 15. - 20. Oktober 1927 hat er seine berühmte Rede, den „Nutuk“,
der den Befreiungskrieg und die Gründung der Republik erzählt,
gehalten, ebenso am 29. Oktober 1933, dem 10. Jahrestag der Gründung
der Republik.
Im Privatleben hat Atatürk in einfachen Verhältnissen gelebt. Am 29.
Januar 1923 heiratete er Latife Hanım, mit der er so manche
Inlandsreisen gemeinsam unternahm. Diese Ehe dauerte bis zum 5.
August 1925. Der Kinderliebende Atatürk adoptierte die Mädchen Afet
(Inan), Sabiha (Gökçen), Fikriye, Ülkü, Nebile, Rukiye, Zehra und
den Hirtenjungen Mustafa. Die Jungen Abdurrahim und Ihsan wurden
unter seine Obhut genommen. Für die nahe stehenden Verwandten dieser
Kinder hat er eine sichere Zukunft organisiert.
Im Jahre 1937 schenkte er seine Bauernhöfe der Schatzkammer sowie
einen Teil seiner Grundbesitze an die Stadtverwaltungen von Ankara
und Bursa. In seinem Erbe wurden seine Schwester, seine
Adoptivkinder sowie das Institut für Türkische Sprache und
Geschichte bedacht. Atatürk liebte Literatur, Musik, den Tanz,
Reiten und Schwimmen. Übermäßiges Interesse hatte er an Zeybek-Tänzen,
Ringen und Volksliedern aus Rumeli (Thrazien). Er empfand große
Freude am Tricktrackspiel und Billard. Er legte großen Wert auf sein
Pferd Sakarya und seinen Hund Fox. Atatürk hatte sich eine
umfangreiche Bibliothek angelegt. Er lud zu seinen Abendmalzeiten
Staatsmänner, Wissenschaftler und Künstler ein und diskutierte mit
ihnen über die Probleme des Landes. Er zeigte große Sorgfalt auf
saubere und ordentliche Kleidung. Er liebte die Natur, ging oft zum
Atatürk Orman Çiftliği (Atatürk Waldbauernhof) und beteiligte sich
auch persönlich an den dortigen Arbeiten.
Atatürk sprach Französisch und Deutsch. Er starb am 10. November
1938, um 9.05 Uhr im Dolmabahçe Palast in Istanbul an einer
Leberzirrhose, die nicht mehr geheilt werden konnte. Er wurde am 21.
November 1938 vorübergehend im Ethnographischen Museum in Ankara
zeremoniell bestattet. Nach dem Bau des Anıtkabir (Grabdenkmal) in
Ankara wurde dies zu seiner ewigen Ruhestätte, wo er am 10. November
1953 mit einer prächtigen Zeremonie begraben wurde.
Kultur ist das Fundament der Türkischen Republik.
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