| Kunst und Kunsthandwerk |
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"Pflanzliche Fasern" als Material im traditionellen Kunsthandwerk
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Farbe, Muster und Färbetechniken im traditionellen Kunsthandwerk
Stricken und Häkeln
Strick- und Häkelarbeiten haben ihren festen Platz im traditionellen Kunsthandwerk, werden seit jeher praktiziert und sind auch heutzutage immer noch sehr beliebt. Typische türkische Handarbeiten sind Objekte, die mit der Nähnadel, Häkelnadel, Rundnadel oder einer Spule aus Seiden- oder Baumwollgarnen angefertigt werden. Neben diesen feinen Arbeiten gibt es auch eine reiche Auswahl an Produkten aus Wolle, die mit Häkel- oder Stricknadeln gearbeitet werden. Bei den feinen Arbeiten wären vor allen Dingen Klöppelspitzen, Häkelspitzen und Spitzen mit Knotentechnik zu erwähnen, sowie mit Perlen versetzte Nadelarbeiten, die hauptsächlich für die Herstellung von Beuteln, aber auch von Bordüren angewendet wird. Bei den groben Strick- und Häkelarbeiten wird ein Teil bereits maschinell hergestellt (Trikotagen). Gestrickt oder gehäkelt wird mit einem einzigen Faden, der mit Strick- oder Häkelnadeln zu einem Gewebe verarbeitet wird. Bei den traditionellen Handstrickwaren aus reiner Schafswolle, die mit natürlichen Farbstoffen gefärbt wird, zählen Strümpfe, Handschuhe, Knieschoner und Hüttenschuhe zu den häufigsten Produkten. Auch Baumwolle wird bei manchen Methoden gern benutzt. Die Verarbeitung von Wolle mittels Stricknadeln gibt es erst seit dem 19. Jahrhundert.
Volkskultur
Stricken und Häkeln
Anfertigen von Spitzen
Türkische Spitzen
Das Kunsthandwerk ist, wie schon an anderer Stelle erwähnt, zunächst aus dem
ganz primitiven Bedürfnis, sich zu bekleiden oder zu schützen, entstanden.
Im Laufe der Jahrtausende erfuhren diese Bedürfnisse jedoch je nach sozialem
oder geographischem Umfeld eine Wandlung. Um sich der Umwelt anzupassen
veränderten sich die angefertigten Gegenstände je nach Region und brachten
schließlich auch den speziellen Geschmack und die kulturellen Besonderheiten
der jeweiligen Gesellschaft zum Ausdruck, was dem Handwerk schließlich die
Eigenschaft “traditionell” verlieh.
Handarbeiten verkörpern die Kultur des jeweiligen Volkes und sind ein Mittel,
diese auch anderen fremden Kulturen nahe zu bringen und sie bekannt zu
machen. Handarbeiten sind die farbigsten Kulturdokumente einer Gesellschaft.
Um die Sitten und Gebräuche eines Volkes von einer Generation an die andere
weitergeben zu können, bedarf es verschiedener Mittel, eines davon ist die
traditionelle Handarbeit. Aus diesem Grund sind alle Völker darum bemüht,
die Tradition der Handarbeiten aufrecht zu erhalten und ihre Produkte sowie
Arbeitstechniken zu schützen.
Das anatolische Hochland ist auf dem Gebiet der Handarbeiten durch seine
Vielfalt bekannt, die den vielen verschiedenen Zivilisationen zuzuschreiben
sind, die diese Region seit Jahrtausenden besiedelt haben.
Heutzutage spiegeln die traditionellen türkischen Handarbeiten den Geschmack,
die Ästhetik, Empfindsamkeit, Toleranz und praktische Veranlagung derjenigen,
die diese Arbeiten hergestellt haben, wieder. Ob Kelims, Strümpfe, Spitzen
oder Stickereien, sie alle sind eindrucksvolle Beispiele für die Tradition
der Türken, die sie hier auf einfühlsame Art auch anderen zugänglich machen
wollen.
Spitzen und ihre Verwendung werden in verschiedenen Quellen so definiert:
“Spitzen sind eine elegante Umrandung.” Oder: “Mit Spitzen werden
Damenunterwäsche oder ähnliche Dinge verziert, indem man die fertigen
Spitzen an die Ränder näht oder die Ränder direkt umhäkelt bzw. mit einer
anderen Technik einfasst. "Spitzen können aus Seidengarnen oder anderem
Fadenmaterial angefertigt werden.” Oder: “Mit farbigem Seidengarn werden
mittels einer Nadel Blumen- oder Blattmotive hergestellt und in einer langen
Reihe miteinander verbunden.” Oder: "Spitzen sind eine Art Umrandung, die es
nur in der Türkei gibt. Während eine normale Spitze nur zweidimensional ist,
wird die türkische Spitze in drei Dimensionen gearbeitet und als
Randverzierung an Stoffe genäht.” Oder: “ Spitzen werden zur Verzierung und
zum Schmücken mittels Häkel-, Klöppel-, oder Knotentechnik hergestellt.”
Wenn wir diese verschiedenen Definitionen kurz zusammenfassen, können wir
sagen, dass türkische Spitzen eine Form der Handarbeit ist, die mit Nadeln,
Häkelnadeln oder Spulen aus Seiden- oder Baumwollgarn, teilweise unter
Verwendung von Pailletten und Perlen angefertigt wird.
Eine ähnliche Art der Spitzenherstellung ist auch aus Europa aus dem 16.
Jahrhundert bekannt. 1594 wurde diese Technik das erste Mal in einem
französischem Wörterbuch unter der Bezeichnung “Dantel” erwähnt. Als die
Spitzenarbeiten in Europa immer bekannter wurden, stellte man auch etliche
Untersuchungen an, die sich mit dem Ursprung dieser Technik befassten. Dabei
stieß man z.B. auf Namen von bestimmten Spitzen, die in ägäischen Märchen
und Sagen schon erwähnt wurden. 1905 hat man bei Ausgrabungen in Memphis
Spitzenfragmente gefunden, die darauf schließen lassen, dass diese
Handarbeitstechnik bereits 2000 v. Chr. den Menschen bekannt war. Nach
anderen Quellen soll die Spitzentechnik im 12. Jahrhundert von Anatolien
nach Griechenland und von dort aus ihren Weg nach Europa genommen haben.
Ansonsten ist auf diesem Gebiet nicht weiter nachgeforscht worden. Sicher
ist nur, dass diese Technik in historischen Quellen kaum erwähnt wird und
ein entsprechendes Wort für sie sowohl bei östlichen als auch bei westlichen
Kulturen erst in jüngster Zeit in den Sprachgebrauch aufgenommen worden ist.
Bei der Anfertigung der "Oya", der türkischen Spitze, legen die anatolischen
Frauen ihren ganz persönlichen Geschmack und ihre Gefühle mit hinein und
wählen auch dementsprechend die Farben und die Muster aus. Von Region zu
Region sind die Muster verschieden und haben ihren eigenen traditionellen
Namen. Manche Spitzen, die von Händlern in verschiedenen Städten verkauft
werden, sind inzwischen zu einer Art Klassiker geworden und haben einen
gemeinsamen Namen, unter dem sie in der ganzen Türkei verkauft werden.
Heutzutage haben in Anatolien hergestellte Spitzen, Bordüren oder Motive je
nach Arbeitsmaterial ihre eigenen Namen: Nadelspitzen "Iğne Oyaları",
Häkelspitzen "Tığ Oyaları", mit Spulentechnik hergestellte Spitzen "Mekik
Oyaları", Haarnadeltechnik bei der Spitzenherstellung "Firkete Oyaları",
Kokonspitzen "Koza Oyaları", Wollspitzen "Yün Oyaları", Wachsspitzen "Mum
Oyaları", Perlenspitzen "Boncuk Oyaları", Stoffbordüren "Dokuma Oyaları."
· Mit Spulentechnik hergestellte Spitzen
· Haarnadeltechnik bei der Spitzenherstellung
· Perlenspitzen aus Adana und Içel
Die Technik,
die in der internationalen Fachliteratur als “Türkische Spitze” bezeichnet
wird, ähnelt auf den ersten Blick der in allen Ländern bekannten Technik der
Spitzenherstellung, wenn man darunter die Umrandung eines Stoffes versteht,
die zweidimensional angefertigt wird, um hinterher den Stoff oder das
Kleidungsstück zu vervollkommnen. Türkische Spitzen jedoch sind
dreidimensional und dienen nicht immer der Verschönerung eines Stoffes,
sondern sind schon an sich ein Accessoire. Bei der Nadelspitzenarbeit wird
in der Regel Seidengarn als Material verwendet. Ein wichtiger Faktor beim
Entstehen dieser Technik war gewiss die Tatsache, dass die Seidenstraße
damals durch Anatolien führte und aus diesem Grund auch viel Seide
hergestellt wurde.
Bei o. e. Technik wird der Seidenfaden unter Zuhilfenahme kleiner Nähnadeln
zu einem Muster verknotet. Je strammer die Knoten angezogen werden, desto
kleiner und feiner werden die Motive. Man nimmt mit der Nadel eine Masche
auf, durch die der Seidenfaden durchgezogen wird und zieht den Faden
daraufhin an. Die so zu Stande kommenden Spitzen können eine dreieckige oder
viereckige Form haben. Auf diese Weise kann man einfache oder doppelte
Bordüren herstellen. Bei der einfachen Bordüre wird zunächst der Faden um
die in den Stoffrand gestochene Nadel geschlungen und von rechts nach links
eine Kette von Luftmaschen aufgenommen, die von Zeit zu Zeit am Stoffrand
festgenäht werden, sodass eine Art von Schlaufen entsteht. Diese erste Reihe,
die man “Giraffe” nennt, ist die Grundlage für den nun folgenden
Arbeitsprozess. Die Rückreihe wird von links nach rechts gearbeitet, wobei
man den Faden durch die kleinen Schlaufen führt. Die dritte Reihe ist eine
Wiederholung der ersten, jedoch sticht man jeweils in die Mitte der
vorherigen Schlaufe in den Stoff. Diese ersten drei Reihen nennt man “Wurzelreihe”,
“Felsreihe” und “Hauptreihe”, was besagt, dass sie sozusagen das Fundament
für die nun folgenden komplizierten Musteranfertigungen sind. Die
traditionellen Motive werden unter den Spitzen häkle "Birli", "Pirinç",
"Mecnun Yuvası" oder "Trabzon" genannt. Als Motiv werden zum Beispiel
Blätter oder Blütenformen hergestellt, deren Zusammenstellung und Anordnung
ein Muster ergeben.
Diese Motivkompositionen haben jeweils einen eigenen Namen wie z. B.:
1.
Kettenspitzen "Ulamalar",
2. Kopftuchspitzen "Yemeni Oyaları",
3. Haubenverzierungen "Hotoz Oyaları",
4. Kronenspitzen "Taç Oyaları",
5. Spitzen mit Zweigen Motiven "Dal Oyaları",
6. Spitzen mit Blumentopfmotiven "Saksı Oyaları",
7. Spitzen, die als Futteral für einen Gegenstand verwendet werden "Kese
Oyaları"
Damit die Motive recht plastisch wirken, werden sie mit Pferdehaaren oder
neuerdings mit Nylonschnur verstärkt. Manche Spitzen werden mit Eiweiß,
Zucker oder Gelatine gestärkt. Für die Nadelspitzen wird Seiden- oder
Baumwollgarn verwendet. Bei manchen Mustern werden allerdings auch Perlen
und Pailletten mit verarbeitet.
Spitzenanfertigung
Während früher für Häkelspitzen ausschließlich Baumwollgarn verwendet wurde,
nimmt man heutzutage auch gern synthetisches Garn dazu. Nach der bekannten
Häkeltechnik werden mit der Häkelnadel gearbeitete Luftmaschen, bei der
jeweils eine Schlaufe durch die vorhergehende gezogen wird, bestimmte Muster
gehäkelt. Bei manchen Mustern entstehen durch Überspringen oder Umwickeln
mancher Maschen Löcher, die in ihrer Anordnung Motive ergeben.
Spitzenanfertigung
Mit Spulentechnik hergestellte Spitzen
Bei dieser Technik wird Baumwoll- oder Synthetikgarn verwendet. Ein Faden
von bestimmter Länge wird in Schlingen gelegt, die mit dem fortlaufenden
Faden von der Spule umwickelt werden, sodass bestimmte Motive entstehen.
Diese Technik ist schwieriger als die Häkeltechnik, jedoch einfacher als die
Nadeltechnik. Da diese Arbeitsmethode jedoch keine flächendeckenden Muster
erlaubt, gibt es an Motiven nicht sehr viel Auswahl.
Spitzenanfertigung
Kokonspitzen
Grundmaterial dieser Motive sind jeweils kleine Seidenkokons, die mit einer
Näh- oder Häkelnadel und Seidengarn umarbeitet und zu einem Muster
zusammengefügt werden. Oft werden die Kokons vor der Verarbeitung in
verschiedene Farben eingefärbt. Diese Technik ist ebenso mühselig wie die
Nadelspitzenarbeit und nimmt viel Zeit in Anspruch.
Spitzenanfertigung
Wollspitzen
Das Material ist in der Regel Wolle oder Baumwolle. Ein Teil wird mit
Nähnadeln, ein Teil mit der Häkelnadel gearbeitet. Die einzelnen vorher
angefertigten Motive werden damit an die fertig gestellten Spitzenmuster
genäht oder gehäkelt. Die Motive werden in Leim oder Harz getaucht und in
ihre letzte Form gebracht, die sie auch nach dem Trocknen beibehalten.
Spitzenanfertigung
Wachsspitzen
Wie bei der Kokon- oder Wollspitzentechnik werden auch hier die einzelnen
Motive, diesmal in Form von Wachs, vorbereitet. Da dieses Material gegen
Hitze und Berührungen sehr empfindlich ist, ist seine Verwendung eher selten.
Die phantasievollsten Kreationen findet man beim Brautkopfschmuck.
Spitzenanfertigung
Perlenspitzen
Diese Bordüren werden aus Seiden-, Baumwoll- und Synthetikgarn unter
Hinzunähme von Perlen hergestellt. Als Hilfsmittel dient die Häkel- oder
Nähnadel.
Diese unter je nach Technik und Arbeitsmittel unter verschiedenen Namen
bekannten Bordürenspitzen sind die beliebtesten und am häufigsten
anzutreffenden in Anatolien.
Spitzenanfertigung
Stoffbordüren
Diese Bordüren, die aus mit dreifarbigem Garn angefertigten Kett- und
Schussfäden angefertigt werden, sollen hier nur erwähnt werden, weil sie auf
Grund ihrer Länge Ähnlichkeit mit Bordüren haben und deshalb auch den Namen
"Oya" tragen, obwohl sie weder mit der Arbeitstechnik, noch mit dem Aussehen
der vorher erwähnten Spitzen etwas gemeinsam haben.
Wenn man die
vielfältigen türkischen Trachten genau betrachtet, fällt auf, dass sie eines
gemeinsam haben: Strickstrümpfe mit jeweils zur Tracht passenden Farben und
Motiven. Im Kunstlexikon werden sie als “Strickkleidung, die man an den
Füßen trägt” bezeichnet.
Strickstrümpfe hatten im türkischen Kunsthandwerk immer ihren eigenen Platz,
bedingt durch ihre phantasievollen Muster und ihr Material. Leider hat seit
der Verbreitung von maschinell hergestellten Strümpfen diese Handarbeit
nicht mehr ihren gleichen Stellenwert wie früher.
Die Strümpfe werden aus Wolle, Mohair, Baumwolle, Tierhaaren oder Seidengarn
mit einer Häkelnadel oder zwei bis 5 Stricknadeln gewirkt. Wichtig sind die
verarbeiteten Motive und Muster, die von Region zu Region verschieden sind
und den Familienstand, die soziale Stellung, Anzahl und Geschlecht der
Kinder des Trägers bzw. der Trägerin verraten. Frauen- und Männersocken sind
ebenso verschieden wie die Strümpfe von Jugendlichen und Kindern. Während
ein Teil mit 5 Nadeln glatt gestrickt wird, werden andere durch
Maschenüberschlagen und – aufnehmen in einem kunstvollen "Ajourmuster" (Lochmuster)
angefertigt.




