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Volksdichter
Karacaoğlan
Karacaoğlan (17. Jhd.)
Türkischer Volkslieddichter. Mit seinen Gedichten, die er mit einer
eindrucksvollen Sprache und einer Welt der Gefühle aufbaute, wirkte er in
der Tradition der Volksdichtung bahn brechend.
Man vermutet, dass Karacaoğlan im Jahre 1606 geboren und 1679 gestorben ist.
Bezüglich seines Lebens gibt es keine eindeutigen Informationen.
Untersuchungen und Forschungen zufolge lebte er im 17. Jahrhundert. Es
existieren verschiedene Vermutungen bezüglich seines Heimatortes. Manche
behaupten, er sei nahe des Berges Kozan im Dorf Varsak (Farsak), gehörend
zur Kreisstadt Bahçe, geboren worden. Die Barak Turkmenen aus Gaziantep
sowie die im Kreis Musabeyli lebenden Çavuşlu Turkmenen von Kilis behaupten,
dass Karacaoğlan ihren Sippen angehöre. Einem anderen Gerücht zufolge soll
er aus dem Dorf Gökçe der Kreisstadt Feke in der Region Kozan kommen. Die in
Westanatolien lebende Karakeçili- Sippe zählt ihn als einen von Ihren. Die
Dörfer der Mersiner Kreisstädte Silifke, Mut und Gülnar beanspruchen ihn
wiederum für sich. Einer Legende zufolge, soll er aus Belgrad kommen. Was
man aus diesen Quellen und seinen Gedichten erfahren kann, ist, dass er in
dem Gebiet der Çukurova geboren ist und unter den turkmenischen Sippen
dieser Region gelebt hat.
In manchen Quellen wurde sein Name unter Simayil genannt, in einigen seiner
Gedichte geht er als Halil und Hasan hervor. Erinnerungen von Hacı Hamdi
Efendi aus Akşehir zufolge, soll Karacaoğlan als Waise aufgewachsen sein.
Aus Angst, er könne mit einem hässlichen Mädchen vermählt werden, oder wie
sein Vater lebenslang in die Armee aufgenommen werden und auch aufgrund der
Meinungsverschiedenheiten mit den Kazanoğulları, die zu jener Zeit
Lehnsherren in der Çukurova waren, zog er in jungen Jahren in die Fremde. Es
gibt Gedichte von ihm, aus denen hervorgeht, dass er seine beiden Schwestern
mitgenommen habe und nach Bursa oder sogar nach Istanbul gegangen wäre. Wie
man wiederum aus diesen Gedichten erkennen kann, so soll er sich in Bursa
niedergelassen haben, Familienväter geworden sein und auch einen
Kindesverlust erlitten haben. Es wird angenommen, dass er verschiedenste
Städte Anatoliens besuchte, die europäische Seite des Landes durchstreifte
und sogar nach Ägypten und Tripolis kam. Den größten Teil seines Lebens
verbrachte er allerdings in den Gebieten Çukurova, Maraş und Gaziantep.
Wie auch sein Geburtsort, so ist auch sein Sterbeort nicht genau bekannt.
Aus seinen Gedichten ist erkenntlich, dass er sehr lange gelebt hat. Den
Erinnerungen von Hacı Hamdi Efendi zufolge ist er mit 96 Jahren auf dem
Cezel Plateau bei Maraş gestorben. Den letzten Befunden zufolge wird
angenommen, dass sein Grab auf dem Karacaoğlan Hügel des Dorfes Çukur des
Landkreises Mut der Provinz Içel liegt.
Karacaoğlan lebte in einer Zeit, in der im Osmanischen Reich wirtschaftliche
Krisen und tiefste innere Unruhen herrschten. Die Traditionen der
Nomadengesellschaft, in der er geboren und gelebt hat sowie die Natur, in
der er lebte und die er als Heimat betrachtete, bildeten die Inspirationen
für seine Gedichte. Durch die Vereinigung der Lebens-, Gefühls- und
Denkweisen der turkmenischen Sippen, die in Südost-Anatolien, der
Zilizischen Ebene, dem Taurus und dem Gavur Gebirge lebten, mit seiner
eigenen Individualität, entstand eine gänzlich neue Interpretation der Âşık-
Literatur. In seinen Gedichten nahmen die Schmerzen des anatolischen Volkes
im 17. Jahrhundert, die Armut, Not und Hilflosigkeit der Nomaden keinen
Platz ein.
Die Grundthemen seiner den Menschen zugewandten Gedichte sind die Natur und
die Liebe. Weitere Themen, die in seinen Gedichten in ihrer Gesamtheit
vorkommen, sind die Trennung, die Fremde, Heimweh und der Tod. Er bringt
seine Gefühle in einer Rationiestischen Weise zur Sprache. Seine Gedanken
legt er in einer offenen und verständlichen Art und Weise dar. Diese
Besonderheiten fallen vor allem in den Gedichten, in denen er Schmerz,
Trennung und Tod bearbeitet, auf. Er orientiert sich mehr an der
Wirklichkeit als am Traum. Sein Ausgangspunkt dabei ist das "Gelebte".
Seiner Meinung nach soll der Mensch zeit seines Lebens, vom Leben das nehmen,
was er nur nehmen kann und es je nach Herzenslust und Laune genießen. Die
Quellen seiner Lebensfreude ist die Geliebte, die Liebe und die Natur. Er
preist die Schönen und Tapferen, er ruft in seinen Versen die Berge, die er
als seine Vertraute sieht, an. Im Kern seiner lyrischen Gedichte liegt die
Besonderheit des Gefühl- und Denkvermögens seines Volkes.
Eines der Hauptthemen seiner Gedichte ist die Natur, als unverzichtbarer
Teil des Nomadenlebens. Er bringt die Natur, in der er lebte, die Gegend,
die er durchstreifte in einer prachtvollen Art und Weise zur Sprache. Die
Natur, sein Freund und Bruder, die Natur, die er gleichstellt mit einer
Geliebten, die Natur, mit der er eins ist, ist für ihn mehr als nur
irgendein Raum. Ein weiteres Thema seiner Gedichte, die Existenz der Liebe,
verschönert er mit Vergleichen aus der Natur. Die Freude, die mit ihr gelebt
wird, die von ihren zugefügten Schmerzen werden mit der Natur geteilt. Die
Geliebte ist in seinen Gedichten ein untrennbarer Teil der Natur.
An manchen Stellen seiner Gedichte stößt man auf die Themen Heimweg und Tod.
Er bringt die Trennung von seiner Geliebten, seiner Stadt, seinem Heim und
seiner Nomadenfamilie mit großer Sehnsucht zur Sprache und klagt. Der Tod
wiederum ist ein Leid, das er der Trennung und Armut gleichstellt.
Neben dem Thema der Natur bringt er den Begriff Liebe / Geliebte, den wahren
Kernpunkt seiner Gedichte, mit einer Darlegung zum Ausdruck, die außerhalb
der traditionellen Formen der Âşık- Dichtung stehen. Für ihn ist die
Geliebte kein Wesen, das erträumt wird, mit tausendundein Träumen erschaffen
wird, für die, aus der Hoffnungslosigkeit sie zu erreichen, "türkü" (Volkslieder)
erdichtet werden; sondern sie befindet sich in den Beziehungen zwischen dem
Menschen und der Natur. Er stellt sie dar, ohne sie vom Leben und diesen
Beziehungen zu trennen.
Zum ersten Mal werden in seinen Gedichten die Namen der Geliebten genannt:
"Elif", "Anşa", "Zeynep", "Hürü", "Döndü", "Döne", "Esma", "Emine",
"Hatice",... Einige von ihnen hat Karacaoğlan beim Wasserholen an einer
Quelle gesehen, manchen Frauen mit Kupferkrügen auf den Schultern begegnete
er auf dem Weg zum Wasserholen, manche wiederum sah er beim Buttern oder
Teppichweben und hat sich augenblicklich verliebt. Sein Herz blieb nicht nur
bei einer Schönen, band sich an keine von ihnen. Die Flüchtigkeit, mit der
er seine Gefühlswelt in seiner spezifischen Art und Weise in den Gedichten
verpackt, ist seine deutlichste Seite. Die Sinnlichkeit erscheint in seinen
Versen als Tatsache des Liebens und einander Liebhabens. Erotik wird in
seinen Gedichten mit den Elementen des Liebens und sich körperlich lieben
ausgedrückt. Die feurige Geliebte wird mit sexuellen Motiven hervorgehoben
und nimmt in seinen Gedichten in einer eindrucksvollen Form ihren Platz ein.
Seine Anschauung von Liebe und der Frau bringt der Âşık- Dichtung eine
Neuerung und trägt in dieser Tradition eine eindrucksvolle Besonderheit.
Auch wenn die Begriffe Gott und Religion in seinen Gedichten keine wichtige
Rolle gespielt haben, so brachte seine Annäherung zu diesem Thema einen
neuen Blickwinkel und wurde für die nächsten Generationen bedeutsam und
wegweisend.
Karacaoğlan hat sich im Gegensatz zu den anderen zeitgenössischen
Volksdichtern hinsichtlich seiner Sprache und Versmaßes vom Einfluss der
Divan- Literatur ferngehalten. Er schrieb in der täglichen Umgangssprache
der südost-anatolischen Menschen dieser Zeit. Diese verwendete nur wenige
Wörter aus der arabischen oder persischen Sprache, dagegen setzte er die
regionale Sprache sehr häufig ein. Er hat durch die ihm eigenen Ausdrücke
und Vergleiche eine eigene Gedichtswelt erschaffen. Dies gibt seinen
Gedichten eine andere Farbe. Viele dieser Wörter, die im Volksmund verwendet
werden, wurden von ihm in der Aussprache oder ihrer Bedeutung verändert.
Karacaoğlan benutzte den Halbreim der traditionellen Volksdichtung und an
verschiedenen Stellen die Alliteration. Er schrieb mit dem 11er (6+5) und
dem 8er (4+4) Silbenversmaß. In manchen seiner Gedichte verwendete er den
Silbenfall, um die Silbenharmonie herzustellen. Metaphern und geistreiche
Anspielungen, die er reichlich benutzte, sind wichtige Elemente seiner
Gedichte, die diese so bedeutend werden ließen.
Eine wichtige Besonderheit seines Vortragens der Gedichte ist, dass sie den
Singgedichten "mani" (volkstümliche Gedichte im Vierzeiler zu je 7 Silben,
mit Reimschema), eine Art des Volksgedichtes, sehr nahe sind. Die
Volksliedarten wie "koşma", "semai", "varsağı" und "türkü" nehmen einen
wichtigen Platz in seinen Gedichten ein. In jedem dieser Gedichte benutzte
er eine offene, verständliche, empfindliche und inhaltsreiche
Darstellungseinheit.
Er selbst wurde von Pir Sultan Abdal, Âşık Garip, Köroğlu, Öksüz Dede und
Kul Mehmet beeinflusst und er wiederum hat zeitgenössische Dichter wie Âşık
Ömer, Âşık Hasan, Âşık Ismail, Katibî, Kuloğlu, Gevheri, die Dichter des 18.
Jahrhunderts wie Dadaloğlu, Gündeşlioğlu, Beyoğlu und Deliboran sowie die
Dichter des 19. Jahrhunderts wie Bayburtlu Zihni, Dertli, Seyranî, Zileli
Talibî, Ruhsatî, Şems’î und Yeşilabdal beeinflusst. Später, sei es zur Zeit
des Konstitutionalismus oder der Republik, inspirierte er Dichter wie R. T.
Bölükbaşı, F. N. Çamlıbel, K. B. Çağlar, A. K. Tecer und C. Külebi, die von
der Tradition der Volksliteratur Nutzen gezogen haben.
Es sind bis heute über fünfhundert Gedichte von Karacaoğlan, die seit 1920
erforscht und untersucht wurden, in schriftliche Quellen aufgenommen worden.
Nach einer langen Reise habe ich den
schwarzen Stein erreicht
Hast mich in Sehnsucht gestoßen, nach meinem Stammbruder
Was ist der Grund für die blutigen Tränen, die aus den Augen fließen
Die Trennung, die Armut, der Tod
Manche Sultane hat er vom Thron gestoßen
Vielen hat er ihr Rosengesicht verwelken lassen
So manche hat er auf einen unwiederbringlichen Weg geschickt
Die Trennung, die Armut, der Tod
Karac'oğlan sagt, ich habe mich niedergelassen, ich kann nicht übersiedeln
Bitter ist der Todestrunk, man kann ihn nicht trinken
Drei Schmerzen habe ich, man kann sie nicht voneinander trennen
Die Trennung, die Armut, der Tod.
(Karacaoğlan)
Nackt bin ich gekommen, nackt gehe ich wieder
Besitze ich eine Verfügung, nicht zu sterben
Der Todesengel ist gekommen und verlangt mein Leben
Habe ich die Kraft, um dieses Leben zu geben
Sie erstehen auf, sie erstehen auf, sie kommen
Sie stehen vor dem Jüngsten Gericht, ehrerbietig
Sie erschrecken, indem sie sagen, die Räuber sind hier
Besitze ich eine mit Seide geladene Karawane
Bist du ein Mann, so zeig deine Tapferkeit
Allmächtiger Gott, lass meine Mangelhaftigkeit genügen
Sie sagen mir, ich soll die Last des Kummers forttragen
Hab ich die Kraft diese Last fort zu tragen
Karacaoğlan sagt, sie preisen meinen Namen
Zucker, den wir gegessen haben, wurde zu Gift
Sie schreiben uns zu, dass wir die Schönen lieben
Hab ich eine andere Geliebte als Gott
(Karacaoğlan)




